Forschung der Award-Gewinner*innen

Master-Award Kommunikations- und Medienforschung 2024

Autorin/Gewinnerin: Anisha Arenz

Titel: Phubbing on Autopilot? An In-Situ Study on the Influence of Connection Cues on the Automatic Initiation of Phubbing

Hintergrund: Ob beim Familienessen, einer romantischen Date-Night oder in der Mittagspause mit den Kolleg*innen, das Smartphone ist immer mit dabei und nur einen Handgriff entfernt. Durch die Omnipräsenz mobiler Medien ist es heutzutage keine Seltenheit mehr, im Beisammensein mit anderen Personen mal eben kurz zum Smartphone zu greifen, um bspw. Nachrichten zu schreiben oder seine sozialen Medien zu checken. Dieses Verhalten wird in der Forschungsliteratur häufig als Phubbing bezeichnet. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten jedoch einstimmig darauf hin, dass Phubbing (d.h. Smartphone-Nutzung während sozialer Interaktionen) diverse negative relationale Auswirkungen hat, bspw. auf die Beziehungszufriedenheit und Kommunikationsqualität. Um funktionale Interventionen gegen Phubbing zu entwickeln und so den damit einhergehenden negativen Auswirkungen entgegenzuwirken, ist es notwendig zu verstehen, wie Phubbing in bestimmten Situationen ausgelöst wird. Während die negativen Auswirkungen von Phubbing bereits gut erforscht sind, ist über die situativen Einflussfaktoren, die dazu führen, dass Menschen in bestimmten sozialen Situationen zum Smartphone greifen, bislang kaum etwas bekannt. Meine Masterarbeit hat an dieser Forschungslücke angeknüpft und hat untersucht, in welchen Situationen Menschen Phubbing betreiben und wie Phubbing im Alltag initiiert wird. Dabei fokussierte die Arbeit 1) wie Phubbing initiiert wird (d.h. den zugrundeliegenden kognitiven Prozess: bewusste vs. automatische Verhaltensauslösung) und 2) welche situativen Einflussfaktoren bei diesem Prozess eine Rolle spielen. 

Methode: Um die situativen Bedingungen von automatisch initiiertem Phubbing zu untersuchen, wurde eine in-situ Studie mit ereignisbasiertem Experience Sampling Design (kurz ESM) durchgeführt. Die Teilnehmer*innen füllten eine Woche lang täglich nach jeder sozialen Interaktion einen Kurz-Fragebogen aus und berichteten bspw. über ihr eigenes Phubbing-Verhalten. Es konnten pro Tag bis zu fünf Fragebögen ausgefüllt werden, die von den Teilnehmer*innen nach jeder Interaktion selbstständig per Smartphone aufgerufen und ausgefüllt wurden. Die Feldphase dauerte 29 Tage (12. Februar bis 11. März 2024).

Da ESM-Studien für die Teilnehmer*innen sehr aufwendig und zeitintensiv sind, wurde mithilfe von Incentives ein zusätzlicher Teilnahmeanreiz geschaffen: Alle Teilnehmer*innen erhielten nach Abschluss der Studie eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 10 €. Die Auszahlung dieser Teilnahmevergütung wurde maßgeblich durch die Alumni-Stiftung der Mainzer Publizisten ermöglicht, die das das Projekt mit einem Zuschuss im Wert von insgesamt 500 € förderte. 

Zentrale Ergebnisse: An der Studie haben 87 Teilnehmer*innen im Alter von 19–67 Jahren teilgenommen, die insgesamt 829 Kurz-Fragebögen zu sozialen Interaktionen ausgefüllt haben. Von diesen 829 berichteten sozialen Interaktionen haben die Teilnehmer*innen in 253 Interaktionen ihr Smartphone benutzt, sprich Phubbing betrieben. Mit Blick auf diese 253 Phubbing-Situationen zeigte sich, dass Phubbing insgesamt mit einem moderaten Level an automatischer Verhaltensauslösung verbunden war. Das heißt, Phubbing wurde in den berichteten Situationen weder gänzlich automatisch noch gänzlich bewusst initiiert. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen vergleichbarer Studien und verweist darauf, dass die Initiierung von Phubbing zumindest zu einem gewissen Grad automatischen Prozessen folgt. Mit Blick auf die Frage nach relevanten Einflussfaktoren kann die Arbeit zeigen, dass der Grad der automatischen Verhaltensauslösung von der Angst etwas zu verpassen (d.h. FoMO) beeinflusst wird. Dies bedeutet, dass Personen während sozialer Interaktionen, in denen sie mehr Angst als sonst verspürten, etwas zu verpassen, zugleich auch automatischer nach ihrem Smartphone griffen als sonst. Im Gegensatz dazu hatte die Anzahl eingehender Smartphone-Benachrichtigungen, die Smartphone-Nutzung anderer anwesender Personen und die Befriedigung bzw. Frustration des Bedürfnisses nach Verbundenheit keine Einfluss darauf, wie automatisch eine Person zu ihrem Smartphone griff.

Zusammenfassend kann die Arbeit zeigen, dass Phubbing mit automatischen Prozessen einhergeht und in vielen Situationen unbewusst bzw. gewohnheitsmäßig ausgelöst wird. Die Studie identifiziert außerdem einen ersten relevanten Einflussfaktor für automatisch ausgelöstes Phubbing (FoMO). Es bleibt jedoch eine wichtige Aufgabe für die zukünftige Forschung, zusätzliche situative Auslöser für Phubbing zu identifizieren. Mit Blick auf potentielle Interventionen gegen Phubbing legen die Befunde nahe, dass bspw. Strategien zur Förderung von Achtsamkeit bei der eigenen Smartphone-Nutzung oder auch die Implementierung positiver bzw. wünschenswerter Smartphone-Gewohnheiten vielversprechende Ansätze zur Eindämmung von Phubbing darstellen könnten.

Weitere Laufbahn des Projekts: Die Masterarbeit wurde auf der Absolventenfeier 2024 mit dem Master-Award „Kommunikations und Medienforschung“ ausgezeichnet (organisiert und gestiftet durch die Alumni-Stiftung der Mainzer Publizisten). Die Arbeit wird als Tagungsbeitrag für die Jahrestagung der Fachgruppe Rezeptions- und Wirkungsforschung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik‐ und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) 2025 in Bamberg eingereicht. Zusätzlich wird auf Basis der erhobenen Daten ein zweites, themenverwandtes Paper geschrieben, das für die Jahrestagung der International Communication Association (ICA) 2025 in Denver, USA eingereicht wird. Dieses zweite Paper soll außerdem als Zeitschriftenaufsatz publiziert werden.